Die Bundesliga bezieht ihre Attraktivität derzeit allein aus den spannenden Positionskämpfen. Spielerisch konnte erneut kein Team überzeugen. Gleichwohl verbuchten Schalke, Werder und Stuttgart am 27. Spieltag wichtige Siege im Kampf um die internationalen Plätze.Verlierer des Tages war der Hamburger SV, der nach dem 0:1 in Stuttgart den Königsblauen den zweiten Tabellenrang überlassen musste. «Es war unser Ziel, vielleicht einen Patzer der Konkurrenz auszunutzen», sagte Schalke-Coach Mirko Slomka, der sein Team nach dem glanzlosen 1:0 gegen Hansa Rostock nun mit mehr Ruhe auf das schwere Champions-League-Spiel beim FC Barcelona vorbereiten kann.
Beim Roulette «Drei aus Fünf» im Tabellenkeller erleben die Fans von Spieltag zu Spieltag neue Konstellationen. Am Samstag gelangen Arminia Bielefeld (1:0 gegen den Karlsruher SC) und dem 1. FC Nürnberg (3:1 bei Eintracht Frankfurt) mit den ersten Erfolgen 2008 die ersehnten Befreiungsschläge. Energie Cottbus hatte sich schon am Freitag mit dem 1:0 beim MSV Duisburg drei wichtige Zähler gesichert. Rostock fiel erstmals in diesem Jahr auf einen Abstiegsplatz zurück.
Bei der Arminia löste das Tor des eingewechselten Griechen Leonidas Kampantais (90.+2 Minute) einen kollektiven Freudentaumel aus. «Im Moment können wir alle heulen vor Glück. Das waren Emotionen, die ich selten erlebt habe», sagte Thorben Marx. Auch Trainer Michael Frontzeck, der vor seiner bislang glücklosen Mission in Ostwestfalen mit Alemannia Aachen schon achtmal hintereinander erfolglos geblieben war, fiel ein Stein vom Herzen. «Ich habe mir schon überlegt, ob ich in den letzten 25 Jahren überhaupt mal gewonnen habe», sagte Frontzeck mit einem Schmunzeln.
Das Nürnberger 3:1 in Frankfurt wurde hingegen von Krawallen und einer 20-minütigen Spielunterbrechung überschattet. Die Partie stand am Rande eines Skandals, nachdem aus dem FCN-Fanblock wiederholt Knall- und Feuerwerkskörper in den Innenraum und auf das Spielfeld geflogen waren. Schiedsrichter Peter Gagelmann (Bremen) schickte beide Teams in der 30. Minute in die Kabinen und drohte für den Wiederholungsfall mit Spielabbruch. «Es stand wirklich Spitz auf Knopf. Unglaublich, wenn in unserer Situation das Spiel auch noch gegen uns gewertet worden wäre», sagte FCN-Manager Martin Bader nach dem Spiel in der Commerzbank-Arena, das ungeachtet dessen die Sportgerichtsbarkeit des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) beschäftigen wird. Beiden Clubs drohen deftige Strafen.
«Natürlich sind wir frustriert», sagte HSV-Star und Kapitän Rafael van der Vaart. Sein Team war in Stuttgart über weite Strecken die bessere Mannschaft, konnte aber keine der vielen Chancen nutzen. Stattdessen setzte Meister VfB auch ohne den verletzten Top-Stürmer Mario Gomez die Erfolgsserie von acht Spielen ohne Niederlage fort und träumt dank des Siegtores von Roberto Hilbert nun sogar von der Champions League. «Alles ist drin», meinte der zuletzt von Bundestrainer Joachim Löw nicht berücksichtigte VfB-Torschütze.
Hilbert will ebenso um sein EM-Ticket kämpfen wie Kevin Kuranyi. Der formschwache Stürmer der Schalker saß gegen Hansa 60 Minuten auf der Bank, durfte sich trotz der schöpferischen Pause und drei vergebener Chancen nach seiner Einwechslung aber als Sieger fühlen. Denn vom Trainer bekam er bereits eine Einsatz-Garantie für das Viertelfinal-Rückspiel in der Königsklasse am Mittwoch. «Er wird in Barcelona wieder spielen», sagte Slomka, der seinen glücklosen Angreifer weiter vertraut. Für Kuranyi sprang Halil Altintop, der seit Wochen ansteigende Form zeigt, mit dem Siegtor in die Bresche.
Auch Tim Borowski trifft wieder. Sein erstes Tor seit 433 Tagen zum 2:1 der keineswegs überzeugenden Bremer bei Herha BSC brachte Werder zurück ins Rennen um die Plätze zwei und drei. «Ich will den Leuten zeigen, dass mir das hier nicht egal ist», sagte Borowski, der ebenfalls noch auf seine EM-Teilnahme hofft: «Wenn es reicht, würde ich mich riesig freuen. Das Augenmerk liegt aber darauf, dass wir uns wieder für die Champions League qualifizieren», so der Bald-Münchner.
Fußball-Nationalstürmer Kevin Kuranyi durfte sich schon vor seiner schöpferischen Pause über eine Rückkehrgarantie für das Champions-League-Rückspiel beim FC Barcelona freuen.
«Dort wird Kevin wieder von Beginn an dabei sein. Aber ich wollte ihm mal eine Pause gönnen», erklärte Trainer Mirko Slomka nach dem 1:0- Arbeitssieg des FC Schalke 04 gegen Hansa Rostock. Der seit Wochen formschwache Angreifer saß gegen die erstmals in diesem Jahr auf einen Abstiegsplatz abgerutschten Hanseaten wie erwartet zunächst auf der Bank. Doch kurioserweise hatte Slomka schon vorher verkündet, in Barcelona wieder auf Kuranyi zu setzen.
Im Nachhinein wird sich Schalkes Fußball-Lehrer bestätigt fühlen. Aber was wäre gewesen, wenn Sören Larsen, der Kuranyi 60 Minuten lang ersetzte, zwei- oder dreimal getroffen hätte? Allerdings erarbeitete sich der Däne gegen Hansa nur eine Torchance, die er - zudem in Abseitsposition - aus Nahdistanz kläglich vergab (32.). «Warum lässt der Trainer mich nicht durchspielen, wenn sowieso klar ist, dass Kevin am Mittwoch wieder spielt», fragte Larsen später ratlos.
Immerhin probierte Slomka auch auf den Außenpositionen etwas Neues aus. Erstmals stand der genesene Albert Streit in der Startelf und bereitete den Siegtreffer des agilen Halil Altintop (52.) mit einer Maßflanke vor. Links zeigte der kleine Vicente Sanchez gute Ansätze. «Ich wollte auf den Außen dribbelstarke Spieler bringen und ich finde, dass wir über die Flügel viele gute Szenen hatten», meinte Slomka, der sich über den Sprung auf Platz zwei - vorbei am Hamburger SV - freute: «Es war unser Ziel, vielleicht einen Patzer der Konkurrenz ausnutzen zu können.»Seinen Problemstürmer Kuranyi lobt er ausdrücklich, auch wenn der 26-Jährige nach seiner Einwechslung drei gute Möglichkeiten vergab. «Kevin hatte gute Aktionen nach vorn. Zweimal hat Stefan Wächter toll gehalten. Ich bin sicher, dass er bald wieder trifft. Vielleicht schon in Barcelona», sagte Slomka. Auch die Mitspieler lassen Kuranyi jede Aufbauhilfe zukommen. «Es ist eine blöde Situation für Kevin. Aber wir geben ihm jede Unterstützung», meinte Heiko Westermann, der diesmal rechts in der Abwehrkette ran musste und den verletzten Rafinha dort gut vertrat.
Für Rostock wird die Luft im Tabellenkeller immer dünner. Seit sieben Spielen wartet die Elf von Frank Pagelsdorf nun auf einen Dreier. Doch unzufrieden war der Hansa-Coach («Wir haben nach dem Wolfsburg-Spiel eine gute Reaktion gezeigt») nur mit Schiedsrichter Knut Kircher. «Er hatte keine Courage, sonst hätte er Jermaine Jones die Rote Karte gezeigt. Andersherum wäre unser Spieler sicher vom Platz geflogen», klagte Pagelsdorf über die Szene, als Schalkes Mittelfeldspieler Jones «als letzter Mann» Hansa-Stürmer Amir Shapourzadeh zu Fall gebracht hatte.
Selbst Jones räumte sein Vergehen ein. «Wenn es ein anderer Schiedsrichter ist, ist es Rot. Aber er hat so entschieden - und ich denke, ich kann froh darüber sein.» Während sich Hansa auf einen zähen Kampf gegen den Abstieg bis zum letzten Spieltag einstellen muss, lenkte Jones die Blicke bereits auf die kommende Herkules- Aufgabe. Er hält eine Sensation in Barcelona durchaus für möglich: «Wir haben im Hinspiel gesehen, dass sie verwundbar sind. Ich fahre nicht dorthin, um mir die Jungs nur anzugucken.»
Neuer patzt, Kuranyi außer Form - S04 vor dem Aus
Manuel Neuer patzte, Kevin Kuranyi schwächelte - und Schalke 04 steht im Champions-League-Rückspiel beim FC Barcelona vor einer Herkules-Aufgabe. Dennoch klammert sich der Revierclub nach dem 0:1 im Viertelfinal-Hinspiel gegen die Katalanen an die Hoffnung auf ein Wunder.«Wir fahren nicht nach Barcelona mit der Einstellung, es ist schon alles vorbei. Aber natürlich ist die Aufgabe nicht leicht», sagte Trainer Mirko Slomka, der vor allem aus der zweiten Spielhälfte Mut schöpfte. «Wenn man die gesehen hat, gibt es durchaus noch eine Chance. Man kann aber nicht erwarten, dass wir in Barcelona 90 Minuten so spielen.»
Trotz des unerklärlich uninspirierten Auftritts vor der Pause, als die Schalker dem munteren Treiben der spanischen Fußball-Künstler mit zu großem Respekt zusahen, reifte bei Christian Pander die Ansicht, dass der Gegner nicht unbezwingbar ist. «Unsere starke zweite Hälfte, in der wir uns viele Chance erspielt haben, war sehr wichtig. Wir haben gemerkt: Barcelona ist zwar eine Weltklasse-, aber keine Übermannschaft.»
Heiko Westermann, dem seiner Ansicht nach ein «klarer Elfmeter» verweigert worden war, meinte sogar: «Für mich hat die schlechtere Mannschaft gewonnen. Sie hätten sich nicht beschweren können, wenn sie drei, vier Dinger bekommen hätten.» Der Abwehrspieler räumte aber ein: «Wenn man mit 0:1 nach Barcelona fährt, ist es immer scheiße.»Eine bessere Ausgangslage war schon nach zwölf Minuten verspielt, als der 17 Jahre alte Bojan Krkic mit seinem ersten Tor in der Königsklasse Schalke in Zugzwang brachte. Wie schon häufiger in dieser Saison hatte Torhüter Manuel Neuer gepatzt. Einen Schuss von Thierry Henry aus spitzem Winkel ließ er nach vorn abprallen und erlaubte so dem Franzosen den Pass auf Spaniens Supertalent. «Henry war in vollem Lauf und hat voll durchgezogen. Das waren nur sieben, acht Meter. Ich habe versucht den Ball festzuhalten und bin ihm dann noch hinterher gegangen, es hat aber nicht gereicht», gestand Neuer nach dem Training. Auch wenn Slomka von einer im Mittelfeld beginnenden «Fehlerkette» sprach, urteilte «Premiere»- Experte Franz Beckenbauer: «Natürlich muss er den Ball festhalten oder zumindest zur Ecke lenken.»
Gleichwohl sieht der «Kaiser» in Neuer den «Torwart der Zukunft». Beim Rückspiel in Porto eine Runde zuvor war der 22-Jährige noch der Held gewesen und hatte den Revierclub mit unglaublichen Paraden im Elfmeterschießen den Einzug ins Viertelfinale gesichert. Beckenbauer traut ihm ein ähnliches Husarenstück zu: «Mit einem Manuel Neuer wie in Porto ist auch in Barcelona alles möglich.»
Dass der noch immer starken Leistungsschwankungen unterliegende Keeper sich im Rückspiel steigert, ist zumindest wahrscheinlicher, als dass Kuranyi seine Form wiederfindet. Der erfolgreichste Schalke-Stürmer (9 Bundesligatore/3 Champions-League-Treffer) verstolperte erneut die wenigen Bälle, die er aus dem Mittelfeld bekam. Vor den Augen von Bundestrainer Joachim Löw präsentierte er sich lauf- und zweikampfschwach. «Kuranyi schien gar nicht mitbekommen zu haben, dass ein Fußballspiel stattfand», schrieb die spanische Zeitung «As». Beckenbauer formulierte es ein wenig eleganter: «Er hat es nicht geschafft, ins Spiel zu finden. Nach seiner Auswechslung lief das Spiel nach vorne besser.»
Nach einer Stunde nahm Slomka seinen Schützling vom Feld. Enttäuscht über die eigene Leistung verweigerte Kuranyi den Medien die Auskunft. Der Coach nahm ihn in Schutz. «Man darf nicht vergessen, dass er wegen seiner Lungenentzündung in der Winterpause keine Vorbereitung hatte. Ich bin sicher, dass er wieder zur alten Klasse zurückkehrt.» Slomka mochte auch nicht darüber philosophieren, ob der ausgepowerte Angreifer im zweiten Durchgang womöglich mehr Chancen bekommen hätte. «Darüber zu spekulieren, ist müßig. Wir hätten auch ohne Kevin ein Kopfballtor machen können.»
Zum Beispiel durch Sören Larsen. Der eingewechselte Däne ärgerte sich über seine zwei vergebenen Möglichkeiten, reklamierte aber mehr Einsatzzeiten für sich. «Ich verstehe den Trainer. Wir haben viele gute Stürmer. Und Kevin hat sehr gute Spiele gemacht. Aber vielleicht sollte man mal die Stürmer wechseln. Denn für Kevin wäre eine Pause auch mal ganz gut.»